USB-Webcams sind zum Großteil qualitativ nicht so gut wie z. B. ältere Filmkameras, Spiegelreflex-Kameras oder auch moderne Mobiltelefone. In diesem Artikel will ich ein paar Wege zeigen, wie jede/r einfach das eigene Videosignal drastisch aufwerten kann.

Das Prinzip bei allen in diesem Artikel vorgestellten Lösungen: Eine hochwertige Kamera mit HDMI-Ausgang wird über einen USB-HDMI-Wandler mit dem Rechner verbunden. Der Rechner sieht nur, dass eine Webcam verbunden ist und kann das Signal verarbeiten. Mit so einer Lösung lassen sich sogar alte Camcorder mit Bandaufzeichnung noch als Webcam nutzen, ein iPad oder ein Telefon als Einspiel-Signal verwenden, ein zweiter Rechner anschließen – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
Natürlich gibt es für jede Preisklasse hier Angebote – ich habe hier einmal die “Mainstream-Geräte” ausgewählt – die funktionieren mit quasi beliebiger Hardware und sind technologisch gut “abgehangen”.
Direkter Anschluss von Spiegelreflex-Kameras

Am einfachsten ist es für Besitzer gewisser Spiegelreflex-Kameras von Canon oder Fuji – die Hersteller haben Software entwickelt, mit der ein direkter Betrieb per USB als Webcam möglich ist – ggf. muss lediglich die Firmware ein Update bekommen, dann steht einer guten Bildqualität nichts mehr im Wege.
Kostengünstig: Elgato CamLink (aktuell ca. 130 Euro, gebraucht günstiger)

Wie schon in anderen Artikeln erwähnt: Es lohnt sich, bei den Gamern und YouTubern zu lernen – hier ist Elgato seit einigen ein beliebter Hersteller, der Lösungen für das (semi-)professionelle Streamen kostengünstig anbietet. Der Elgato CamLink USB-HDMI-Wandler kostet zum Zeitpunkt des Schreibens des Artikels rund 130 Euro, pre-corona gab es gebrauchte Modelle für ca. 80 Euro, in der Corona-Hochzeit kosteten die Sticks teilweise bis zu 400 Euro.
Die Verwendung ist denkbar einfach: Einfach ein passendes HDMI-Kabel mit dem einen Ende in die Kamera oder das iPad stecken, das andere Ende an den CamLink, USB in den Rechner stöpseln, fertig. Die Kamera erscheint dann in Skype, Zoom und co als CamLink 4k und kann einfach ausgewählt werden.
Ich nutze z. B. ein älteres iPad (dann zusammen mit dem Apple Lightning Digital AV Adapter) als zusätzliches Bildsignal, um in Workshops z. B. Freihandzeichnungen mit ins Seminar einzubauen, außerdem habe ich eine chinesische Billig-Kopie einer GoPro-Kamera, die ich für weitwinklige Einstellungen (beispielsweise zum Erklären meines Setups) nutzen kann. Mit etwas Übung ist auch ein Wechsel der diversen Kameras in Kombination mit der internen Webcam des Notebooks möglich. Die Bildqualität ist dann natürlich schwankend und das Umstöpseln resultiert in unschönen Schwarzblenden in der Videokonferenz.
Teurer: Blackmagic Atem Mini bzw. Atem Mini Pro (ca. 340-700 Euro)

Professioneller und teurer geht es natürlich immer. Blackmagic ist Anbieter von kostengünstigen Broadcast-Speziallösungen – und einige der Produkte sind auch für willige “Prosumenten” durchaus bezahlbar. Der Atem Mini (bzw. der Atem Mini Pro) ist für mich ein kleiner Geheimtipp für alle, die professionell mehrere Kameras und Bildsignalen verwenden wollen und beispielsweise eine Live-Mischung von Sendungen auf YouTube und co realisieren wollen. Die Funktionsweise ist ähnlich der CamLink-Lösung, der Atem Mini verbindet sich als Webcam über eine USB-C-Schnittstelle mit dem Rechner. Allerdings ermöglicht er, gleichzeitig 4 Bildsignale per HDMI anzuschließen und flexibel zwischen diesen hin- und herzuschalten.
Weitere Funktionalitäten der Geräte: Chroma-Keying (Greenscreen-Szenarien), Untertitel, Logoeinblendungen, Weiß/Schwarzblenden usw. – im Grunde ist das Gerät ein kleines flexibles Sendestudio. Mein Setup ist wie folgt: auf Kanal 1 ist die Spiegelreflex-Kamera, Kanal 2 die Action-Cam oder eine Obersicht-Kamera, Kanal 3 das iPad, Kanal 4 ein weiterer Rechner, ggf. in Kombination mit einem größeren Bildschirm im Hintergrund. Mehr kann ein TV-Studio auch nicht.
Desweiteren kann ich mit dem Atem Bild-in-Bild-Szenarien umsetzen – meine Präsentation ist groß zu sehen, meine Miniatur-Kamera-Ansicht kann ich flexibel irgendwo auf dem Hauptschirm platzieren.
Was ich bisher noch nicht nutze: Es ist problemlos möglich, das Mischpult fernzusteuern, wenn es über ein Netzwerkkabel im gleichen WLAN wie mein Rechner eingebunden ist – das ist vermutlich für die Zielgruppe dieser Website nur marginal relevant, ermöglicht aber vielfältige weitere Szenarien.
Mini und Pro-Variante unterscheiden sich hauptsächlich in der Streaming-Funktionalität – die Pro-Variante läßt sich so konfigureren, dass ohne Rechner-Einsatz live auf Twitch, YouTube und co gestreamt werden kann und ermöglicht ein direktes Aufzeichnen auf ein USB-C-Medium – für die typischen Anwendungsfälle sollte also die Standard-Variante komplett ausreichend dimensioniert sein.
Zubehör: Kontroll-Monitor (40-1000 Euro)
Wer mit dem Gedanken spielt, sich so ein Setup aufzubauen: Für 40-100 Euro gibt es Mini-Full-HD-Monitore (5-7 Zoll), die per Mikro-USB-Port mit Strom versorgt werden und die man als Vorschau-Monitor nutzen kann – so sieht man vor dem Umschalten, welches Signal an welchem Port anliegt.

Auch hier gibt es die Luxus-Version: Ich habe aktuell einen 5-Zoll Blackmagic Video Assist (in der Full-HD-Version gibt es die mitunter gebraucht etwas günstiger als die aktuelle 4k-Version, meiner hat gebraucht ca. 200 Euro gekostet) im Einsatz. Vorteile: Sie sind im Gegensatz zu der günstigen Variante farbechter, es gibt einen Audioausgang für’s Ton-Monitoring und als tolles Feature: Das Sendesignal läßt sich direkt von dort als hochauflösendes Video/Tonsignal direkt auf eine SD-Karte aufzeichnen. (Achtung dabei: Nicht alle SD-Karten funktionieren, da muss man ein wenig ausprobieren – diese hier gehen). So ist z. B. eine Redundanz-Aufzeichnung bzw. ein Aufzeichnen auch ohne die Zoom-Aufzeichnungs-Funktion realisierbar.

Achtung: Der Atem Mini und ein Macbook Air (2018) funktionieren eingeschränkt zusammen – da die Grafikkarte relativ klein dimensioniert ist, kommt es zu Rucklern bzw. Versatz von Bild und Ton, wenn eine neuere Spiegelreflex-Kamera angeschlossen ist. Abhilfe kann hier schaffen, die Auflösung des Bildsignals auf 720p anstelle von FullHD oder 4K zu stellen – das Bild wird immer noch deutlich besser sein als jede Webcam. Leider gibt es an meiner Fuji XT-30 nur Full-HD als niedrigste Auflösung, sodass die Kombi dieser drei Geräte nicht funktioniert. Mit meinem Macbook Pro von 2016 gibt es aber keine Probleme. Abhilfe könnte hier für schwächere Geräte eine externe Grafikkarte liefern, z. B. die eGPU von Blackmagic – allerdings wird die nicht mehr weiter hergestellt und ich habe keinerlei Erfahrungswerte.
mmhmm – noch Beta, aber: Alles ohne Hardware?
Ganz ohne große Hardware-Konfiguration verspricht die Software mmhmm, all die obigen Szenarien (und noch viel mehr) lösen zu können – das Werbe-Video vom CEO sieht extrem vielversprechend aus:
Bisher sind allerdings erst 10000 Nutzer für die Beta freigeschaltet. Wer ihn nicht kennt: Phil Libin ist der Ex-CEO von Evernote – könnte sehr spannend werden. Allerdings berichten die ersten Beta-Nutzer (u. a. Volker) von extremen Prozessor-Hunger, wer sich gerade ein aktuelles Macbook Pro oder vergleichbare Power gegönnt hat, könnte damit sehr glücklich werden.
Als Open Source Software-Alternative kann auch OBS Studio dienen – dazu gibt es bald mal einen Extra-Beitrag.
Wie immer: Dieser Artikel erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, alle o. g. Produkte habe ich selbst hier im Einsatz und kann aus erster Hand berichten – aber: Es gibt für alles alternative Produkte, die die gleiche Funktionalität bieten. Sollte in der Leserschaft noch wer weitere funktionierende Geräte kennen: Gern einen kurzen Hinweis an mich.
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